Digitale Kompetenz ist Schlüssel für Teilhabe und Inklusion

BirgitApfelbaum

Prof. Dr. Birgit Apfelbaum

Der im Sommer vorgestellte Achte Altersbericht der Bundesregierung war Schwerpunktthema der Hauptversammlung der dbb bundesseniorenvertretung. Dieser setzt sich mit zahlreichen Facetten des Themas Ältere Menschen und Digitalisierung auseinander und beleuchtet daraus resultierende ethische Fragen. Prof. Dr. Birgit Apfelbaum von der Hochschule Harz für angewandte Wissenschaften aus dem Fachbereich Verwaltungswissenschaften in Halberstadt gehörte diesem Expertengremium an. In acht Thesen beleuchtete sie in ihrem Vortrag einige Aspekte aus dem Altersbericht zum Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“.

In der Begrüßung verwies der Vorsitzende der dbb bundesseniorenvertretung, Horst Günther Klitzing, darauf: „Digitale Technologien eröffnen neue Möglichkeiten für Seniorinnen und Senioren, allerdings müssen auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Ältere in die Lage versetzen, auch wirklich von der Digitalisierung zu profitieren. Zum Beispiel darf nicht außer Acht gelassen werden, dass E-Mail, Internet und Co persönliche Kontakte nicht ersetzen können“. Dies sei während der Covid-19-Krise besonders deutlich geworden. Der Chef der dbb Senioren stimmte daneben der Empfehlung der Altersberichtskommission ausdrücklich zu, dass Zugang und Nutzung der digitalen Angebote für alle Menschen sichergestellt werden müsse. „Hierzu sind neben flächendeckend verfügbaren schnellen Internetzugängen auch entsprechende Bildungsangebote für die ältere Generation erforderlich.“

Achter Altersbericht

Prof. Dr. Birgit Apfelbaum schilderte die Entstehungsgeschichte des Altersbericht und die hierbei erworbenen Erfahrungen. Der Achte Altersbericht zum Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“ sei einem Feld gewidmet, das durch die Ausbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) stark an Bedeutung gewonnen habe. Aus der Sicht der Achten Altersberichtskommission sind ältere Menschen keine homogene Gruppe, es gibt nicht „den“ älteren Menschen. Die zunehmende Ausdifferenzierung von Lebensläufen und Lebenslagen bringe es vielmehr mit sich, dass die Lebenssituationen von Menschen mit steigendem Lebensalter immer unterschiedlicher werden. Bildungsstand, Einkommen, die Art der Erwerbstätigkeit, Geschlecht, kulturelle Prägungen und die soziale Herkunft einer Person seien für die individuelle Lebenssituation mindestens genauso entscheidend wie das Alter. Der Bericht plädiere deshalb für eine differenzierte Kommunikation, die pauschalisierende Aussagen über ältere Menschen vermeidet. Die Kommission gehe davon aus, dass digitale Technologien das Potenzial haben, die Lebenssituation älterer Menschen erheblich zu verbessern. Digitalisierung eröffne neue Möglichkeiten, das Leben im Alter zu gestalten und soziale Teilhabe zu verwirklichen. So können digitale Technologien Kommunikation auf Abstand zwischen Älteren und Jüngeren, aber auch unter Älteren erleichtern und ermöglichen.

Acht Thesen

Prof. Dr. Birgit Apfelbaum fasste die aus ihrer Sicht wichtigen Aspekte in acht Thesen zusammen:

Digitalisierung wirkt sich in fast allen Lebensbereichen aus.
Eine Bedeutung für ältere Menschen erlangt sie vor allem in den Bereichen Wohnen, Mobilität, Kommunikation und soziale Integration, bei der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung sowie im Sozialraum.

Die Entwicklung digitaler Technik für ältere Menschen hat verschiedene Triebkräfte.
Neben dem allgemeinen technologischen Fortschritt und der technischen Innovation können Bedarfe nach funktionalen nutzungsorientierten Anwendungen Antrieb für Entwicklungen darstellen. Neben wirtschaftlichen Interessen begünstigen auch Förderprogramme der EU oder des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die Entwicklung neuer Anwendungen.

Es gibt noch wenig gesichertes Wissen über die Wirkungen digitaler Technik auf das Leben im Alter.
Empirische Erkenntnisse sind überwiegend nur in Fallstudien enthalten, die jedoch nicht über einen längeren Zeitraum zu verallgemeinern sind. Auch die zukünftigen technischen Entwicklungen sind nicht klar abzuschätzen. Eine sachliche Diskussion wird oft aufgrund ungenauer Vorstellungen und Bilder erschwert. Vehement vorgetragene Befürwortung bzw. Skepsis führen zu Polarisierungen.

Die Digitalisierung verändert soziale Ungleichheit.
Regionale Unterschiede in der Infrastruktur sowie Unterschiede bei Bildung und Einkommen begünstigen soziale Ungleichheit bei digitalen Anwendungen. Digitale Anwendungen können aber auch in vielen Fällen die soziale Ungleichheit vermindern helfen.

Die Nutzung und Aneignung von digitalen Technologien sind an technische und soziokulturelle Voraussetzungen gebunden.
Die altersgerechte Gestaltung digitaler Geräte und Anwendungen (einfache Nutzbarkeit) sowie der Zugang zu schnellem Internet sind wichtige technische Voraussetzungen. Ferner gehören Akzeptanz, Technikkompetenz und Vertrauen auf der Seite der nutzenden (älteren) Menschen dazu. Begünstigt wird die Nutzung durch ein technikaffines unterstützendes (privates) Umfeld.

Digitale Kompetenz wird auch im Alter zu einer Schlüsselkompetenz für Teilhabe und Inklusion.
Bei der digitalen Kompetenz sind Bedienwissen (z.B. Bedienung der Geräte), Gestaltungswissen (Anpassungen der Nutzung an die jeweiligen persönlichen Bedürfnisse) und Orientierungswissen (vorhandenes Wissen, um Folgen einer Nutzung oder Nichtnutzung einzuschätzen) zu unterscheiden. Eine kompetente Nutzung setzt besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten voraus. Zielvorstellung ist, eine digitale Souveränität bei möglichst vielen älteren Menschen zu erreichen.

Die Aneignung digitaler Technologien kann durch verschiedene Formate zum Kompetenzaufbau unterstützt werden.
Studien und Praxisprojekte haben gezeigt, dass verschiedene Lern- und Erfahrungsorte zum Aufbau digitaler Grundkompetenzen - auch internetbasierte - genutzt werden (u.a. Bibliotheken, digitale Stammtische oder Sprechstunden). Hiermit sollte auch eine „Technikbegleitung“ (z.B. ehrenamtliche Techniklotsen, -botschafter/innen) verbunden sein. Als Ergänzung kann auch ein (institutionalisiertes) Angebot der Technikberatung dienen. Die meist in den Kommunen angebotenen Unterstützungsstrukturen aus haupt- und ehrenamtlichen Elementen soll in einer seniorenpolitischen Gesamtkonzeption eingebunden sein.

Ältere Menschen haben besondere Bedarfe und Interessen, die bei der Konzeption von Unterstützungsstrukturen zu berücksichtigen sind.
Ältere Menschen haben Interesse an eher informellen „Lerngesprächen“, die auf die jeweils vorhandenen Fragen eingehen. Interesse wird oft auch durch ehrenamtliches Engagement mit Technikbezug geweckt. Bei den Unterstützungsstrukturen sind auch die besonderen Bedürfnisse hochaltriger und pflegebedürftiger Menschen zu berücksichtigen.

Fazit
In ihrem Fazit hält Prof. Dr. Birgit Apfelbaum eine Sicherung von digitaler Teilhabe und Souveränität für möglich. Hierzu sind die Verstetigung, der Ausbau und die Qualitätssicherung inklusionsfördernder Unterstützungsstrukturen unter Berücksichtigung sozialer Aspekte erforderlich. Die Kombination von alltagsnaher Technikvermittlung, Technikbegleitung und Technikberatung erscheine hier am Ehesten zum Ziel zu führen. Es bleibe Daueraufgabe auch die älteren Menschen zur kritischen Reflexion der verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten digitaler Technik zu befähigen.

Karl-Heinz Boll

Foto Prof. Dr. Birgit Apfelbaum: Hochschule Harz für angewandte Wissenschaften